Warendorf -  Die negative Mitgliederentwicklung in deutschen Pferdesportvereinen hält an. Laut aktueller Statistik des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) für das Jahr 2010 gibt es in deutschen Vereinen nur noch 736.870 Reiter, Fahrer und Voltigierer.

So wenig Mitglieder registrierte die Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) zuletzt 1999.

Im Vergleich zu 2009 verließen weitere 12.000 Mitglieder die Reitvereine. Damit haben die FN und ihre Mitgliedsverbände innerhalb eines Jahres annähernd so viele Vereinsmitglieder verloren wie in den vorhergegangenen fünf Jahren insgesamt.

Entgegen dem allgemeinen Trend des DOSB, der seit 1990 bis in die heutige Zeit eine gewisse Konstanz und Stabilität in der Mitgliederentwicklung feststellt, kämpft der Pferdesport weiter um seine Vereinsmitglieder. Die FN und ihre Mitgliedsverbände erleiden aber kein Einzelschicksal innerhalb der zehn mitgliederstärksten Sportverbände des DOSB. Lediglich der Fußballbund (plus 72.100) und der Alpenverein (plus 38.004) können sich über deutliche Mitgliederzuwächse freuen. Andere Spitzenverbände haben – verglichen mit den Mitgliederzahlen 2009 – ähnliche Abgänge zu beklagen wie die FN: Turnerbund (minus 21.175), Tennis Bund (minus 10.229), Schützenbund (minus 13.360). Die Deutsche Reiterliche Vereinigung bleibt aber der achtgrößte Sportverband in Deutschland.

Die negative Mitgliederentwicklung im Pferdesport ist mittlerweile in fast allen Landesverbänden zu erkennen. Waren 2009 noch sieben der 17 Landesverbände in den schwarzen Zahlen, konnten sich 2010 nur Sachsen (plus 773), Berlin-Brandenburg (plus 211) und Bremen (plus 203) über leichte Zuwächse freuen. Die meisten Mitglieder verlor der Landesverband Hannover (minus 2.516), gefolgt von Westfalen (minus 2.072) und Weser-Ems (minus 1.614).

Ungebrochen bleibt auch der Trend zur „Verweiblichung“ des Pferdesports. So standen im vergangenen Jahr 550.549 Mädchen und Frauen (minus 5.936) nur noch 186.321 Jungen und Männer (minus 6.033) gegenüber. Besonders betroffen von Rückgängen ist bei den Männern die Gruppe der über 26-Jährigen, bei den Frauen ist es insbesondere die Altersklasse der bis 18-Jährigen.

Interview mit FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach

„Für unsere Vereine ist es fünf vor zwölf“

FN-Aktuell: Befindet sich der organisierte Pferdesport im freien Fall?

S. Lauterbach: Im freien Fall befindet sich der organisierte Sport nicht. Aber es ist definitiv ein anhaltender Trend, der uns Sorgen macht und den wir natürlich auch schon absehen konnten. Deshalb haben wir im Frühjahr 2010 die Initiative Vorreiter Deutschland gestartet, um den organisierten Pferdesport wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

FN-Aktuell: Ist die Initiative schon gescheitert?

S. Lauterbach: Nein. Erstens können die Zahlen von der Initiative noch gar nicht berührt sein. Es ist zwar die Statistik von 2010. Tatsächlich erfasst sind in ihr aufgrund des hohen Erfassungs- und Verarbeitungszeitraums beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) aber die Mitgliederbeständen in den Vereinen mit Stichtag 31. Dezember 2009. Zweitens zeigt die neue Statistik, wie wichtig und richtig diese Initiative zur Mitgliederentwicklung ist. Drittens kann es sein, dass die Statistik auch im kommenden Jahr noch nicht besser ausfällt, denn uns war von vornherein klar, dass diese auf vier Jahre angelegte Initiative nicht sofort greifen wird. Aber eins ist uns im ersten Jahr der Initiative klar geworden: Zu viele Vereine und Betriebe haben die Bedeutung dieser Entwicklung noch nicht erkannt. Dabei ist es für alle fünf vor zwölf.

FN-Aktuell: Schmerzen die Zahlen nicht vor allem die Verbände? Was hat dieser Trend denn mit dem einzelnen Verein zu tun?

S. Lauterbach: Sinken die Mitgliederzahlen im organisierten Pferdesport, sinkt die Bedeutung und vor allem der Einfluss des gesamten Pferdesports. Mitglieder haben Gewicht und Einfluss zum Beispiel, wenn es darum geht, bei Abgeordneten und Ministern für das Pferd zu werben. Darum stärkt jedes Vereinsmitglied jeden Verein, jeden Pferdebetrieb, jeden Reiter, Fahrer, Voltigierer, Züchter, Ausbilder und letztlich seine eigenen Interessen. Am Ende wollen doch wir alle, dass es Raum in diesem Land gibt für unsere Leidenschaft und unser Hobby: das Pferd.

FN-Aktuell: Wie wollen Sie also die Vereine in Sachen Mitgliederentwicklung mobilisieren? Schließlich müssen diese ja am Ende neue Mitglieder werben.

S. Lauterbach: Jeder Verein hat direkte wirtschaftliche Vorteile durch mehr Mitglieder. Er hat zum einen mehr Beitragseinnahmen und mehr Manpower, zum anderen gewinnt der Verein als Wirtschaftspartner und Institution auch lokal mehr Bedeutung und Einfluss. Das ist für ihn ja fast wichtiger als bundesweite Interessen, denn von Entscheidungen vor Ort über zum Beispiel Ausreitmöglichkeiten, Zugang zum Gelände, Bau- und Erweiterungsvorhaben, Genehmigung von Veranstaltungen oder die Gewinnung von örtlichen Sponsoren und Unterstützern betreffen ihn direkt.

FN-Aktuell: Wie unterstützt der Verband denn die Vereine bei der Mitgliedergewinnung und der Arbeit vor Ort? Die meisten Vereine werden schließlich ehrenamtlich und damit nebenbei geführt.

S. Lauterbach: Das Ehrenamt ist tatsächlich der Schlüssel zur Vereinsentwicklung. Je mehr Menschen Verantwortung im Verein übernehmen, desto leichter wird es für alle, die sich neben Beruf, Familie und Schule engagieren. Wir wissen, dass ein Viertel der Vereine aufgrund mangelnden Ehrenamtsnachwuchses um seine Existenz fürchtet. Deshalb braucht es eine breitere Basis für Engagement in den Vereinen – also mehr Mitglieder. Dazu braucht es aber auch neue Formen der Ämter- und Aufgabengestaltung. Konzepte dafür und für vieles mehr wie Mitgliedergewinnung und -bindung, Mitgliederbeitragsmodelle gibt es bei uns Verbänden. Sie müssen von den Vereinen nur abgeholt und umgesetzt werden.

Das Interview führte Adelheid Borchardt.

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